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Was ist Kraft ? (I)

Teisho - Zen-Meister Hinnerk Polenski
Daishin Rinzai Zen Sesshin 15. Oktober 2016

 

Was ist Kraft? 
Die europäische Herausforderung ist die Trennung zwischen dem Körper auf der einen Seite und dem Geist auf der anderen Seite. Die Problematik ist, dass der Geist, der sich abtrennt zu einem Ich, und dieses Ich sozusagen sich separiert aus der Gesamtheit, aus der Einheit, den Gesetzen von Anicca, Dukkha, Anatta unterliegt, nämlich Vergänglichkeit, leidbehaftet und am Ende substanzlos, leer ist, das heißt auf gut deutsch: Diese Vorstellung, dass wir geboren werden, zu einem Ich werden, uns entwickeln, älter werden und sterben, und dieses Ich dann vergeht, ist eine Illusion. Dieses Ich gibt es nicht. 
Die erste Stufe der Heiligkeit ist im Theravada-Buddhismus also die Einsicht in die Ego-Illusion, also ein sehr tief gehendes Kensho ist die Einsicht in die Illusion des Egos. Es existiert so nicht. Es ist ein gutes System, das sich genial selbst täuscht, aber der Preis dieser Täuschung ist: Mit unserer Entwicklung der Zivilisation ab dem zehnten Jahrtausend (v. Chr.) - Sprache, Landwirtschaft, Sesshaftigkeit - entstand auch mehr und mehr eine Separierung dieses Ichs als ein eigenes System, das unabhängig von der Welt versucht, die Welt zu extrapolieren. An sich grundsätzlich gut, aber, wenn es sich dann verliert, diesen Kontakt, eine Innenwelt wird, dann ist das so, dass die vorgestellte Welt mit der äußeren immer weniger zu tun hat, oder nicht zwingend miteinander zu tun hat; und sei es nur, dass ich mir vorstelle, ewig jung zu sein oder immer nur gesund, immer nur toll; oder das Gegenteil, ich bin nichts wert, oder habe immer nur Angst oder ich bin nur mutig. 
Alles das sind Dinge, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben, und dieser Konflikt zwischen einer vorgestellten inneren Wirklichkeit und der Welt an sich führt zu Leiden. Dieses System der Abtrennung hat seinen Höhepunkt in Europa im 19. Jahrhundert gehabt, der Vatermörderkragen, das Körperliche, die Sexualität, das war etwas, damit hatte man nichts zu tun. Und der Versuch der Aufklärung, der ja auch ehrenhaft war, alles über den Verstand, die Vernunft…, und Kant und so weiter, das ist ja ein gutes System, grundsätzlich wunderbar, nur in seiner Totalität der Nichtbeachtung dieser körperlichen Realität - und damals wurde auch das Gefühl dort reingepackt und abgetrennt - sehr schmerzhaft. Und das haben wir ja auch erlebt, wenn wir noch so erinnern, so jemand "hat einen Stock im Arsch", das sind ja Ausdrücke, die kennt man gar nicht mehr, weil man solche Leute kaum noch kennt. 
Das hat nämlich die 68er, also die Nachkriegszeit, die Hippiebewegung, Beatniks, aufgelöst, eine große, wichtige Bewegung; das Gefühl wieder zugelassen, also aus dieser Trennung zugelassen, das Gefühl, - das hat dann irgendwann dazu geführt, dass man nur noch danach ging... Das ist aber ein anderes Thema, das soll jetzt hier nicht im Raum sein, aber... - Wir erleben auch, wenn wir sitzen, dann tut mir das Knie weh, weil ich ja ab in was Heiliges will, oder mir tut das Knie weh, und ich hab so einen tollen wunderbaren Zustand gehabt von innerer Einheit, und dann nervt dieser Schweiß, der hier so runterläuft, und es zieht im Knie. Und wo ist dann dieser tolle Zustand, in dieser Einheit? So die Augen zu und dann: Licht. Das ist gar nicht so schwierig. Es gibt geile Gurus, die können das, also man geht in die Nähe von so einem Guru, - das ist gar nicht böse gemeint, letztens hatten wir Besuch von  jemanden hier, aus Nepal, ein geiler Typ, der hat hier so ein Feld.  
Das ist gut, weil ihr erkennt, es gibt das Feld, und dann geht er weg, und dann ist das Feld weg, und dann nervt der Körper. Wir können den Körper nur mitnehmen. Körper und Geist ist eine Einheit, Körper und Geist: kein Unterschied. Es gibt keinen Körper, es gibt keine Materie, es gibt kein Ego, es gibt nur Geist. Alles ist nur reiner Geist: Cittamatra - alles ist reiner Geist. Die Materie, die sich hier sehr fest anfühlt, ist erstaunlich in ihrer Festigkeit, weil der Abstand der Atome zueinander auch in fester Materie nur mit Leere bezeichnet werden kann. Da ist so wenig an Substanz, dass der Unterschied zwischen dem hier, was hier Luft ist, und dem, was da der Boden ist, nichts ist. Das ist eine tolle Sache, die Vorstellung von Materie, -lacht-  da gibt es noch Energie, und den leeren Raum... 
Das heißt für uns, wenn wir einen ernsthaften spirituellen Weg gehen wollen, dann geht es nur dann, wenn der Weg alles mitnimmt. Sicherlich ist es manchmal wichtig, eine spirituelle mentale Erfahrung zu machen. Dieses geschieht in Deutschland - wenn ich manchmal so despektierlich von Esoterik spreche - sehr sehr stark. Der positive Aspekt ist, dass Menschen eine Idee bekommen, das es etwas anderes gibt außer dieser typischen Vorstellung, dieser eingeengten Sicht von Welt, dass es irgendetwas da drüber gibt. Aber da ist schon die Gefahr: Weil das ist ja über der Welt, außerhalb der Welt, das ist dann Elfen, und schön, uns sphärisch, und, ja die Überwelt, die Nietzsche dann als Hinterwelt deklariert. Es gibt nur diese Welt. 
Also wie kommen wir dann mit diesen Dingen zusammen? Nicht dadurch das ich sage, Mensch, ok, da ist ein Haken dran, denn er hat gesagt: Körper und Geist sind eines, super, durch. So einfach ist es nicht. Der Geist will immer sozusagen etwas Kreatives, er schafft die Vorstellung, und solange die Vorstellung nicht Wirklichkeit ist, und das ist ein Prozess des Schöpferischen, der Schöpfung selbst, solange ist es eine Vorstellung. Und die Vorstellung, wenn sie sich nicht realisiert, ist Leiden. In unserer Zivilisation leiden wir mehr unter nicht erfüllten Vorstellungen und Bildern als an wirklichem Mangel, Schmerz oder Krankheit. Ich nehme nur ein Beispiel: Mir sagte ein Psychologe, und dem stimme ich zu aus eigener Erfahrung: Der härteste Schmerz, der härteste psychische Schmerz ist der Liebeskummer -lacht-. Das ist gar nicht lustig. -lacht-. 
Wie kommen wir zusammen? Ich möchte eine Brücke bilden, die heute etwas mehr Sprossen hat als die übliche Brücke "Körper und Geist": Der Gegensatz von Körper und Geist wird verbunden durch die Synthese von Energie. Das lehrt der Osten, das lehrt der Taoismus, das Chan, der Chan-Buddhismus. Fangen wir beim Körper an, und fangen wir bei uns an. Der Körper - und wir nehmen den Aspekt der Kraft als Brücke „Kraft-Energie“ - wir finden die Kraft im Körper erstmal auf der Ebene der Muskeln, das heißt, ich brauche Muskeln, um dieses Glas zu heben, also nicht nur, um eine 15kg-Bitzeps-Curl-Hantel, dann ooo... cool, dann weiß jeder, der ist sehr kräftig, nein wir brauchen auch die Muskeln für dieses Glas, also wir dürfen diese Kraft des körperlichen nicht unterschätzen, denn dieser Körper ist das Fahrzeug. Es gibt uns die Kraft, aufzustehen im Zazen, und wieder im Zazen zu sitzen. 
Die körperliche Kraft ist die erste Form von Kraft, die wir erleben. Diese Art von Kraft hat aber schon eine Brücke, wenn wir das Sanskrit-Wort "rupa" nehmen, dann bedeutet rupa einerseits Körper, aber auch Welt. Ich weiß noch wie mein Lehrer Reishin Bigan Roshi im Hannya Shingyo - Körper, Gefühl, Wahrnehmung, Willensdinge und Bewusstsein sind leer, alle Dinge in der Welt sind leer - und dann hat er den Körper weggenommen: Gefühl, Wahrnehmung, Willensdinge, weil er sagte, alle Dinge in der Welt sind leer so auch Gefühl, Wahrnehmung, Willensdinge, Bewusstsein, und der Körper ist in der Welt schon drinnen, weil rupa bedeutet Welt und Körper gleichzeitig. Die Trennung von Körper und Welt ist ein geistig mentaler aktiver anstrengendster Prozess unseres Egos mit dem Preis von Geburt und Tod. So nicht vorhanden, künstlich erzeugt, hat lange gebraucht, lange Geschichte auch, - aber das ist erst mal ein Fakt, das heißt der Körper und die Kraft des Körpers sind erstmal ein Fakt, und es ist die Kraft der Erde am Ende. 
Gehen wir aber in die andere Richtung, bleiben wir nur mal bei uns. Wir haben also gesehen, da ist der Körper und die Muskeln, also die muskuläre Kraft. Die nächste Ebene, die für uns eine große Rolle spielt, ist die fasziale Kraft, das ist die Spannung, das ist die Körperspannung in der Summe. Der Bizeps, ja, oder der Quadrizeps sind Muskeln, die können etwas machen, der Bizeps hebt etwas an, so. Aber schon der Sixpack, der Rectus Adominis glaube ich wie er heißt, und der Transversus Adominis sind Muskeln, die nicht unbedingt sichtbar sind, die die Spannung halten, aber wenn wir einen Karateka sehen, der ein Brett durchschlägt, oder gar wie Kwon Jae-Hwa einen Flusskiesel, dann hat das mit Muskelkraft nichts zu tun. Das hat aber auch nicht nur etwas mit Ki zu tun, sondern es hat etwas zu tun mit allen dreien. Die fasziale Kraft ist die Summe des gesamten Körpers, die gesamte Körperspannung, und führt zu besonderen Leistungen, für uns im Zen nicht so wichtig, sondern für uns ist es wichtig in der Haltung. Wenn der Körper die rechte Spannung hat, ruht der Körper im Zazen in sich selbst, und er kommt in eine Haltung der rechten Spannung. Es geht im Zen nicht um totale Entspannung. Nur dann, wenn jemand zu viel Spannung hat. Es geht aber auch nicht um eine verbissene Überspannung. Nur dann lernt jemand viel Spannung aufzubauen, wenn er das nicht beherrscht. Es geht um die rechte Spannung, die rechte Spannung ist auch eine Körperspannung und führt jetzt noch ein Schritt in Richtung Geist in den Rahmen von Contenance, die rechte Haltung, die dann den körperlichen Bereich verlässt und schon in den geistigen ethischen Bereich hineingehen kann. Hier fangen wir aber erst mal mit der rechten Spannung des Körpers an. Diese sich zu erobern erfordert auch ein Gesundheitsbewusstsein des Körpers, nämlich von zu viel faszialer Verspannung, der Begriff Cortisol ist da eine wichtige Geschichte. Das ist diese Ebene, und von dort aus erreichen wir dann den nächsten Bereich der Kraft, nämlich die sogenannte Lebensenergie.
Die Lebensenergie, japanisch Ki, chinesisch Chi, indisch Prana, mit dem Atem verbunden im griechischen Pneuma, ist dann die Verbindung zwischen dem Körper und Geistigen. Die rechte Energie in unserem Körper, der gesunde Fluss dieser körperlichen Energie, die sich über einen Kreislauf, des kleinen Ki-Kreislaufs, der Rücken, Bauch, einmal sich bewegt, hat eine immense Wirkung auf den Körper, sichtbar im Immunsystem. Eine Disharmonie auf dieser Ebene führt dazu, dass das Immunsystem immer wieder Schwierigkeiten hat, seine Funktion zu erfüllen, nämlich eine stabile Gesundheit und Abwehr zu bilden. Weitergehend noch oben ist diese Kraft aber auch eine Kraft, die sich mit dem geistig Emotionalen verbindet, eben dem System Emotion die Kraft gibt, und das kann häufig ein Problem sein, aber sie wird auch zu der Lebenskraft, dicht an die Freude gehend schon, im psychischen geistigen Bereich. es ist die Kraft im Leben zu stehen. 
Und dann kommen wir schon in einen anderen Bereich, einen weiteren Bereich der Kraft, nämlich wir verlassen diese Ki-Ebene, die ich heute mal sehr kurz behandelt habe, da habe ich auch viel drüber geschrieben, und auch sehr viel gesagt, die wir im Hara trainieren, die im Training, im Zazen das Zentrum ist, Ki, Hara, das Zentrum der Übung für den Anfänger, und immer wieder auch für den Fortgeschrittenen. Wir kommen in einen Bereich, wo wir den reinen Lebenskraftbereich verlassen, die Ki in die Willenskraft hineinkommen, im Kehlkopf Chakra, hier ist die Willenskraft, die noch keine Ebene der intentionellen, inhaltlichen ethischen Form hat, die die reine Willenskraft ist, die schon stark und schwach sein kann, unabhängig davon, was ich damit antreibe. Ob das nun ein Wahnsinn ist, was leider meistens geschieht mit dem Willen, oder dem Willen jemanden zu helfen, oder dem Willen, mich zu befreien, oder den Willen, aufhören zu rauchen, oder dem Willen, heilsam, dem Heilsamen zu folgen und das unheilsame zu meiden. 
Und an dieser Stelle kommen wir in die letzte große Kraft hinein, die Kraft des Geistes ist die Schöpfungskraft, die weibliche oder die Kraft des reinen Geistes. Das ist schon eine unglaubliche Sache. Da versteht man, der Raum selber, der unendliche Raum selber ist reine Kraft, und somit reine Freude. Da sind wir an der Grenze. Es geht aber noch weiter. Das vielleicht mal als Idee, wie Kraft die Brücke bildet zwischen Körper und Geist. Das ist mehr als fokussiertes Ki, und das Ki geht ins Hara, - das hat ganz viele Bereiche, die hineingehen in den körperlichen, und ganz viele, die in den psychisch geistig mentalen Egobereich, Transpersonalen bis in den Bereich des reinen Geistes hinein. Das Ganze unterliegt einem Ton: 
Entwickle das Heilsame, vermeide das Unheilsame und erforsche dies. So beginnt unser Weg. 

 

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