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Grundlagen des Rinzai Zen IV - Das Hannya Shingyo

Teisho - Zen-Meister Hinnerk Polenski
Daishin Rinzai Sesshin, März 2017

 

SHIKI SOKU ZE KŪ. KŪ SOKU ZE SHIKI.
Form ist Leerheit. Leerheit ist Form. Form ist nicht verschieden von Leerheit. Noch ist Leerheit verschieden von Form. Alle Dinge in der Welt sind leer, so auch Körper, Gefühl, Wahrnehmung, Willensregung und Bewusstsein. Alle Dinge sind wie die Leerheit. Frei von Entstehen und Vergehen. Sie sind weder rein noch unrein. Weder vollkommen noch unvollkommen. In der Leerheit gibt es kein Entstehen und kein Vergehen.

Grundlagen des traditionellen japanischen Rinzai Zen - Teil IV
HANNYASHINGYŌ - das Herz-Sutra

Zazen ist der Weg, das Absolute zu erfahren, zu erforschen.

Gibt es etwas Unbedingtes oder nicht? Wer bin ich?

Alles was ich beobachten kann, ist nicht der Beobachter. Wer bin ich?

In diese tiefe Erfahrung dann in Form von Hara, Samadhi, Herz / Metta, Achtsamkeit in die Dynamik zu bringen, ins positive Samadhi durch Samu, die Arbeit im Zen Kloster oder auf dem Sesshin, und Do, die Kunst, die einfach, wiederholbar und körperliche Anstrengung voraussetzt. Das Koan dann, die Arbeit im Dokusan mit dem Meister, ist der Funke der überspringt. Die Dharmalinie, seit alten Zeiten von Shakyamuni bis heute.

Alles dieses, besonders das Koan Mu, alles dieses, all diese Prinzipien vereinigen sich im großen Herz-Sutra.

Das Herz-Sutra selber hat zwei Aspekte. Das eine ist der Aspekt, dass es wie ein Koan ist. Der Inhalt ist nur bedingt verständlich. Er löst eine Schwingung aus: Form ist Leerheit, Leerheit ist Form. Form ist nicht verschieden von Leerheit noch ist Leerheit verschieden von Form. Alle Dinge in der Welt sind leer, so auch Körper, Gefühl, Wahrnehmung, Willensregung und Bewusstsein. Die fünf Skandhas. Die fünf Bereiche der Anhaftung.

Das ist nur ein Hinweis, der uns hilft, auf dem Übungsweg im Zazen, im Absoluten, zu erkennen: die fünf Skandhas sind leer. Im positiven Samadhi: die fünf Skandhas sind leer. Und im Koan immer wieder auf verschiedene Art und Weise der Aspekt der Leerheit.

Es ist die komprimierteste Form von Weisheit, die es überhaupt gibt – es ist das HANNYASHINGYŌ. Es schlägt alle anderen Sutren. Weil es so verdichtet ist, wie man Kohle zu Graphit verdichten kann. Das ist das tiefe Sitzen. Aber der eigentliche Sinn ist der Diamant, Vajra. Wir werden Diamanten. Und das HANNYASHINGYŌ ist ein Diamant. Die totale Verdichtung von Weisheit und zwar von Herzweisheit. Dies ist wie ein Koan. Das Sitzen und das Lesen dieses Werkes, dieses kleinen Sutras, können an einigen Stellen überspringen. Es ist dann wie eine Landkarte.

Aber es gibt auch eine andere Zugangsweise, die nicht nur wie ein Koan ist, wie ein Text, der nur in einer Meta-Ebene, in einer spirituellen Ebene, in der Zen-Sprache sich öffnet, sondern in der Einübung.

Das heißt, das HANNYASHINGYŌ ist ebenfalls ein Übungsweg. Und die vier verschiedenen Grundlagen des Rinzai Zen, die ich jetzt erläutert habe, sind nur Erläuterungen in der Praxis. Man kann da stundenlang noch andere Sachen anführen. Shinjinmei und die alten Meister. Aber, es ist auf die Praxis bezogen. Und Zen ist Praxis. Theorie ist nett. Aber Praxis ist die Basis. Theorie wird dann erst zur Nicht-Theorie, wenn wir dort sind, wo die Landkarte den Punkt zeigt. Wenn wir im Wohnzimmer sitzen und haben eine Landkarte von Rom und da ist irgendein Cafe drauf, dann ist das nett. Aber es ist nicht das Cafe. Es ist nicht der Dreck von Mopeds und die heiße Sonne und der Cappucino … und wir sind mitten drin. Das ist was Anderes. Dann kann ich die Landkarte öffnen, dann ist es keine Theorie mehr. Ah, hier bin ich. Ah, da ist das.

Das HANNYASHINGYŌ ist sehr, sehr viel mehr. Es ist ein gleichberechtigter Übungsweg, der all diese drei Prinzipien: absolutes Samadhi, positives Samadhi, und diesen Weisheitskern verdichtet, wie im Koan, in sich birgt. Und deshalb möchte ich dazu mehr sagen als zur Theorie. Natürlich könnte man stundenlang darüber reden: Form ist Leerheit – was heißt das. Da kann man sich ein Ei darauf backen. Wenn man nicht in die Erfahrung dieser Ebene kommt. Was nutzt das?

Also lasst uns in die Erfahrung kommen. Und das HANNYASHINGYŌ ist nicht dazu da, unsere Theorie noch zu erweitern über Leerheit. Dazu ist es nicht geeignet. Sondern es ist ein ganz außergewöhnlicher Übungsweg in sich selbst. Deshalb rezitieren wir. Die Rezitation des HANNYASHINGYŌ hat keinen religiösen Aspekt, sondern einen reinen Trainings-, Übungsaspekt. Und der hat fünf Dimensionen:

Die erste Dimension, und die bauen aufeinander auf, und alle fünf in der Summe, lassen dieses Sutra aufleuchten. Das Herz aufleuchten. Den Diamant gleißend werden. Die erste Voraussetzung für die Rezitation und die Einübung des HANNYASHINGYŌ ist Hara. Das bedeutet, dass ich erstmal üben muss, die einzelnen, totalen verdichteten Mantren, aus denen dieses Sutra besteht, jeweils im Hara zu aktivieren. Jedes einzelne!

MA KĀ HANNYA HA RA MI TĀ … KAN JI ZAI BO SA GYŌ JIN

Jedes einzelne! Im Hara! Jeweils aktivieren! Das heißt meine Übung ist, aus dem Hara zu rezitieren. Wem das schwerfällt, der kann Mu als Mantra benutzen. Ein langes tiefes Mu, das im Hara schwingt. Als Einübung für das HANNYASHINGYŌ.

MUuuuuu … KAN JI ZAI … Damit fangen wir an. Wir werden feststellen, dass wir gar nicht so tief rezitieren. Das ist erstmal eine Vorübung.

Die zweite Ebene, die sich darauflegt, wenn wir es also geschafft haben, Stück für Stück, jedes einzelne Mantrenteil im Hara zu aktivieren, ist die Mantra-Silben-Rezitation. Das Verständnis, dass das HANNYASHINGYŌ auf einer Ebene eines Mantra-Alphabetes zugrunde liegt, dessen Reihenfolge a, o, u, e, i, m ist. Auf einmal verstehen wir auch die vielen i-, o-, u-s: KAN JI ZAI BO SA … Die einzelnen Teile öffnen sich als einzelne Mantren. Ihr müsst jedes einzelne Mantra mit diesen beiden Prinzipien: im Hara und als eins das Mantra verstehen, öffnen. Lasst ihr welche aus, unterbrecht ihr das Ganze. Jede einzelne Silbe! ( …)

Wirklich einzeln: SHIKI SOKU ZE KŪ. KŪ SOKU ZE SHIKI.

Drittes Niveau ist die absolute Samadhi Rezitation. Absolute Samadhi Rezitation. Dazu ist es notwendig: man muss das auswendig lernen. Ohne Auswendiglernen bleibt es Kekskram. Ein Kuchen unter 300g ist ein Keks. Wir wollen nachher großen Kuchen. Also, auswendig lernen und dann mit langer Ausatmung rezitieren. Ja?! Mit langer Ausatmung rezitieren. Und trotzdem die einzelnen Silben halten. Deshalb baut das so auf. Erst einzelne Silben. Dann mit langer Ausatmung. Und nicht umgekehrt lange Ausatmung rezitieren, dann nuschelt ihr weg.

Drittens: KAN JI ZAI BO SA GYŌ JIN …

Und dann in diesem Auswendig-Gelernten mit langer Ausatmung rezitierend, jede einzelne Silbe beachtend, im Hara verweilend, Loslassen. Ja?! Loslassen. Auf dieser Ebene kann das HANNYASHINGYŌ in der kürzesten Zeit euch in die krasseste Tiefe bringen. Das HANNYASHINGYŌ kann auf dieser Ebene so eine Art Notsystem werden. Ich bin gerade auf der Totalität des Wahnsinns. Ich setz mich auf den Boden und rezitiere das HANNYASHINGYŌ. Gut! Damit wird man zum Alien in der allgemeinen Bevölkerung. Aber Notfall ist Notfall.

Dann kommt der vierte Aspekt. Das ist die positive Samadhi Rezitation. Die positive! Das bedeutet nicht (…)

MA KĀ HANNYA HA RA MI TĀ SHIN GYŌ

KAN JI ZAI BO SA. GYŌ JIN HANNYA HA RA MI TA JI. (…)

P-O-W-E-R und schnell und Dynamik. Laut! Kraftvoll! Und dynamisch schnell. Ohne das Hara zu verlieren, ohne die einzelnen Silben zu verlieren und trotzdem lang ausatmend. Gleichzeitig sich in Samadhi fallenlassen und loslassen.

Weil das schwierig ist, gibt es für den Westen eine tolle Sache. Der Westen kann das HANNYASHINGYŌ in drei Geschwindigkeiten rezitieren. Erstmal üben. Langsam. Deshalb bleibe ich immer weg. Denn es ist furchtbar. Zweiter Teil normale Geschwindigkeit. Aber Hokoji-Style, Rinzai Style, Power. Die Mönche im Hokoji rezitieren, wenn sie an so einem kleinen Schrein stehen, das HANNYASHINGYŌ in einem Atemzug. Drei habe ich schon geschafft. Aber trotzdem präzise im Hara, die einzelnen Silben beachtend. Gut, ein Mönch atmet sechzig Sekunden aus. Also: POWER – LAUT – SCHNELL – DYNAMIK! Weil positive Samadhi-Rezitation. Da haben wir es wieder. Genau das.

Und dann der fünfte Teil, jetzt kommt der Kuchen, jetzt kommt Weihnachten, jetzt wird es toll: Hollow-Bamboo Rezitation, die Rezitation des hohlen Bambus. Wenn ich es im Hara übe (KAN JI ZAI …), das ist tief, dann realisiere ich, dass es eine zweite Ebene gibt. Der ganze Körper wird Klangkörper. Dazu ist es wichtig, dass ihr richtig sitzt. Das heißt traditionell sitze ich nicht auf einem Kissen oder auf einem Bänkchen, sondern ich sitze im Seiza. Wirklich nicht im Lotus, sondern im Seiza. Und der Kopf ist gerade und ein ganz klein bisschen nach oben. Sodass hier eine gerade Linie vom Licht hier oben durch alles hindurch bis ins Hara. So. Und dann ist der dritte Teil noch ein Oberton, der darüberliegt. Der Schlüssel ist also der ganze Körper. Der Schlüssel ist der ganze Körper. Und der ganze Körper verbindet sich mit Erde mit dieser Rezitation.

(Hinnerk rezitiert: MA KĀ HANNYA HA RA MI TĀ SHIN GYŌ …)

Das heißt: Wonderful. Geburtstag. Weihnachten. Alles wird hell! All der Scheiß fällt ab.

Es ist die krasseste, kürzeste Meditation, die geht. Die all diese wunderbaren Prinzipien in sich vereint. Das sind die vier Prinzipien der Übung in einem Kloster: absolutes Samadhi, „Sitting long and getting tired“ - lange Sitzen, müde werden, bis das Ego einpennt; und dann Erleuchtungsgeist; positives Samadhi, in Dynamik mit Körper, Körperempfindung, körpergebunden, Erde gebunden, in Dynamik die Erfahrung des Absoluten bezeugen. In die Welt tragen, ausweiten, bis die ganze Welt absolut ist. Bis die ganze Welt erleuchtet ist. Im Koan auf den Spuren der alter Meister gehen, solange bis man eigene Spuren setzt und sagt: ich trete nicht in irgendwelche alten Latschen.

Und das HANNYASHINGYŌ immer wieder rezitieren als eine Erinnerung, eine kleine fokussierte Erinnerung, durch die ganze Fläche aller dieser Ebenen eröffnet.

 

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